Wissenschaftliche Ernährungsstudien – eine Kunst für sich
Wer kennt es nicht: Wissenschaftliche Ernährungsstudien oder Studien, die als wissenschaftlich gelten sollen, fördern teilweise kurioses zu Tage. Da kann dann schon mal Pizzakonsum vor Herzinfarkt schützen oder Zimtsternen werden krebserregende Wirkungen zugeschrieben. Seriöse wissenschaftliche Studien von Studien zweifelhafter Qualität zu unterscheiden, ist eine zeitaufwendige und nicht immer leichte Aufgabe.
Wie kommen solche Ergebnisse zustande und wie können wir diese einordnen? Was unterscheidet eine gute Studie von einer schlechten Studie und wie kann ich erkennen, ob Daten seriös sind oder nicht? Diese Fragen beschäftigen mich in meiner täglichen Arbeit. In diesem Artikel gehe ich den häufigsten Gründen nach, die zu unzuverlässigen Studien führen:
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Die Methodik:
Fragen Sie Leute, was Sie vor einem Jahr gegessen haben, werden Sie keine besonders verlässliche Antwort bekommen. Das leuchtet jedem sofort ein. Doch auch wenn Sie Probanden bitten, die verzehrten Nahrungsmittel der letzten Woche oder des letzten Tages aufzunehmen, werden Nahrungsmittel vergessen oder Mengen falsch eingeschätzt. Hinzu kommt noch ein wesentlicher Punkt, der im englischen auch als „self-report bias“ bezeichnet wird. Werden Teilnehmer einer Studie nach ihren Gewohnheiten befragt, werden diese häufig positiver dargestellt, als sie eigentlich sind und als ungesund empfundene Nahrungsmittel werden verschwiegen.
Auch die Studiengröße, das heißt die Anzahl der Teilnehmer in einer Studie, sollte berücksichtigt werden. Oft können in Studien mit nur wenigen Probanden signifikante Effekte beobachtet werden, die dann in großen Studien mit sehr vielen Teilnehmern verschwinden. Hier ist es wichtig den Unterschied verschiedener Studientypen zu betrachten: Ernährungsstudien sind häufig Beobachtungsstudien. Das bedeutet, dass Probanden beispielsweise zu ihren Ernährungsgewohnheiten befragt werden und diese Ergebnisse werden dann statistisch ausgewertet. Bei Beobachtungsstudien werden also – wie der Name bereits andeutet – keine zusätzlichen Experimente durchgeführt. Aus den oben genannten Gründen kann dies jedoch zu Problemen führen. In der Medikamentenentwicklung hingegen kommen Placebo-kontrollierte, randomisierte Studien zum Einsatz. Dabei wird einer Gruppe das zu untersuchende Präparat gegeben, einer zweiten Gruppe nur ein Placebo, das heißt ein Scheinmedikament. Auch der betreuende Arzt weiß nicht, ob ein Patient die zu testende Substanz/Medikament oder das Placebo erhält. Dieses sehr aufwendige Verfahren stößt bei Ernährungsstudien jedoch schnell an seine Grenzen.
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Der Unterschied zwischen Kausalität und Korrelation:
Diesen Unterschied zu verstehen, ist besonders wichtig. Bei einer Korrelation besteht einfach eine Verbindung zwischen zwei oder mehr Variablen. Das heißt, wenn beispielsweise eine Variable steigt, steigt auch eine andere Variable (Korrelation) oder fällt entsprechend (Antikorrelation). Doch nur weil zwei Variablen miteinander korrelieren, muss es dafür keinen kausalen Zusammenhang geben. Dies wäre bei einer Kausalität der Fall. Bei Studien zu Gesundheitsthemen ist es besonders schwierig Kausalitäten zu finden und Scheinkausalitäten aufzudecken. Sterben Leute, die keinen Sport machen, im Durchschnitt früher, weil sie Bewegungsmuffel sind oder ernähren sie sich auch ungesünder, trinken mehr Alkohol und rauchen öfter? Wie groß ist der Anteil der einzelnen Komponenten? Dies bei Ernährungsstudien herauszufinden, kann im Detail sehr schwierig werden.
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Die Medien:
Die Medien präsentieren oft nur sensationelle oder besonders kuriose Daten. Auch Daten, die vorhandenen Ergebnissen widersprechen, werden gerne medienwirksam präsentiert. Dies entspricht jedoch nicht der wissenschaftlichen Realität, die auf kleinen, stetigen Erkenntniszugewinnen aufbaut. Die Fülle an diesen Ergebnissen zu präsentieren, würde allerdings kaum die Masse an Publikum anziehen. Auch wenn Studien nur von Korrelationen berichten, die weiter untersucht werden sollten, wird in der Presse hieraus gerne eine Kausalität angenommen. So werden Behauptungen verbreitet, die durch die Daten gar nicht gedeckt sind. Auch hier gilt also: Vorsicht!
Referenzen
Brown AW. (2014), Unscientific Beliefs about Scientific Topics in Nutrition, Adv. Nutr., 5, 563–565.
Hall KD. (2020), Challenges of human nutrition research, Science, 367 (6484), 1298-1300.
Weaver CM. and Miller JW. (2017), Challenges in conducting clinical nutrition research, Nutr. Rev., 75 (7), 491–499.