Wie sich die Genetik an die Ernährung anpasst

Unsere Gene verändern sich. Das geschieht nicht innerhalb weniger Generationen, sondern in großen Zeit­span­nen gesehen. Je nach Lebensumständen bringt dies Probleme mit sich oder große Vorteile. Ich zeige heute an zwei Beispielen, wie sich die Genetik in den letzten Jahrtausenden verändert hat und welchen Einfluss dies auf die Verstoffwechselung von Lebensmitteln hat.

Abbau von Milchzucker – eine Frage der Genetik

Die Laktoseintoleranz ist ein in der Literatur bekanntes Beispiel. Normalerweise geht bei allen Säugetieren, so auch beim Menschen mit dem Abstillen die Bildung des Enzyms Laktase zurück. Laktase ist verantwortlich für den Abbau des Milchzuckers (Laktose), sodass dieser für unseren Körper verwertbar ist. Kein anderes Säugetier trinkt im erwachsenen Alter Milch. Doch mit der ersten Milchviehhaltung vor ca. 8000 Jahren setzte sich ein SNP, das heißt eine Mutation an einer Position, durch. Diese führt dazu, dass auch Erwachsene größere Mengen Milchzucker verwerten können. So führte eine erst einmal neutrale Mutation zu einem gewaltigen Selektionsvorteil und erlaubte es eine neue Nahrungsquelle zu erschließen, ohne von Bauchschmerzen geplagt zu werden. Laktosetoleranz setzte sich in Teilen der Welt, insbesondere in der nördlichen Hemisphäre, durch. Heute sind in Deutschland nur noch ca. 15 % der Bevölkerung laktoseintolerant. In großen Teilen der restlichen Welt, so zum Beispiel in Südostasien, im südlichen Afrika und Südamerika ist Laktoseintoleranz auch heute noch der Normalfall – wir sind sozusagen „Mutanten“.

Der Omega 3-Fettstoffwechsel – eine Frage der Genetik

Während die Genetik der Laktoseintoleranz bereits gut in der Wissenschaft untersucht ist, rückte in den letzten Jahren die Genetik der Omega 3 Fettsäuren, insbesondere der beiden Enzyme FADS1 und FADS2, in den Fokus. FADS1 und FADS2 sind entscheidend bei der Umsetzung kurzkettiger Omega 3- und Omega 6-Fettsäuren zu den entsprechend längerkettigen Fettsäuren. Kurzkettige Omega 3- und Omega 6-Fettsäuren werden so zur langkettigen Omega 6-Fettsäure Arachidonsäure sowie zu den langkettigen Omega 3-Fettsäuren EPA und DHA umgewandelt.

Insbesondere in FADS1 sind zahlreiche SNPs, das heißt Varianten an einzelnen Nukleotiden, bekannt. Diese führen – je nach Ausprägung – dazu, dass wir entsprechend mehr oder weniger der langkettigen Omega 3- und Omega 6-Fettsäuren bilden. Während beispielsweise unsere Verwandten im Tierreich, die Schimpansen nur wenig langkettige Omega 3- und Omega 6-Fettsäuren bilden können, hat sich in der menschlichen Evolution ein weiterer Genotyp entwickelt. Dieser führt dazu, dass wir eine deutlich verbesserte Umsetzung zu langkettigen Omega 3- und Omega 6-Fettsäuren besitzen. Evolutionär gesehen hatte dies bestimmt Vorteile, da so auch bei knapperem Nahrungsangebot die Versorgung mit langkettigen Fettsäuren gesichert war. In unserer heutigen sehr Omega 6-lastigen Ernährung wird dieser Genotyp allerdings mit ernährungs­bedingten Erkrankungen wie Atherosklerose in Verbindung gebracht. Im Gegensatz dazu findet man beispielsweise bei den Grönland-Inuit, die schon immer eine Ernährung reich an marinen Omega 3-Fettsäuren hatten, diesen Genotyp nicht. Hier steht zu vermuten, dass bei einer Versorgung reich an langkettigen Omega 3-Fettsäuren kein Selektionsdruck hin zu Genotypen mit verbesserten Umsetzungen stattfand. Hier zeigt sich, wie unsere Ernährung – über viele, viele Generationen hinweg – Einfluss auf unsere Genetik hat.

Wie Sie Ihren persönlichen Stoffwechseltyp bestimmen können

Fragen Sie sich nun, wie die Umsetzung von Omega 3- und Omega 6-Fettsäuren bei Ihnen aussieht? Diese Frage kann letztlich nur ein Gentest beantworten. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten:

  • Sie haben eine gute Umsetzung von kurzkettigen Omega 3- und Omega 6-Fettsäuren. Bei Europäern trifft dies auf ca. drei Viertel der Bevölkerung zu. Hier ist es sinnvoll, den Konsum von Omega 6-reichen Lebensmitteln zu reduzieren und den Konsum von Omega 3-reichen Lebensmitteln zu erhöhen, um ein Übermaß an langkettigen Omega 6-Fettsäuren, z.B. Arachidonsäure, zu ver­meiden.
  • Sie haben eine verminderte Umsetzung von kurzkettigen Omega 3- und Omega 6-Fettsäuren. Hier ist es besonders wichtig, auf eine hohe Zufuhr von Omega 3-Fettsäuren zu achten und insbesondere auch langkettige Omega 3-Fettsäuren, z.B. aus Kaltwasserfischen, zu sich zu nehmen.
Referenzen

Gerbault P. et al. (2011), Evolution of lactase persistence: an example of human niche construction, Philos. Trans. R. Soc. Lond. B. Biol. Sci., 366: 1566, 863–877.

Harris DN. et al. (2019), Evolution of Hominin Polyunsaturated Fatty Acid Metabolism: From Africa to the NewWorld, Genome Biol. Evol., 11: 5, 1417–1430.

Mathias RA. et al. (2012), Adaptive Evolution of the FADS Gene Cluster within Africa, PLoS ONE, 7: 9, e44926.

Misselwitz B. et al. (2019), Update on lactose malabsorption and intolerance: pathogenesis, diagnosis and clinical management, Gut, 68, 2080–2091.