Omega 3-Fettsäuren – ganzheitlich denken!

Um die Wichtigkeit und den Nutzen von Omega 3-Fettsäuren ist in der Wissenschaft und Medizin, aber auch in den Medien und nicht zuletzt auf YouTube ein regelrechter Kampf entbrannt. Flüssiges Gold sagen die einen, schützt uns vor Herz- und Kreislauferkrankungen, Krebs, Alzheimer und anderen Leiden – wir dosieren es nur nicht hoch genug. Unwirksam im besten Fall oder gar schädlich sagen die anderen. Sie werden zu beiden Positionen zahlreiche Publikationen und Studien mit sich komplett widersprechenden Ergebnissen finden. Dann beginnt in der Regel eine Reihe von Aufzählungen an inhaltlichen und handwerklichen Mängeln, die in einer Studie gemacht wurden – nur Sie stehen hinterher nicht schlauer da als vorher und sind im schlimmsten Fall komplett verunsichert. Die Lösung des Problems: Wir müssen die Aufnahme von Nährstoffen wie Omega 3-Fettsäuren neu denken mit einem ganzheitlichen Ansatz. Was das heißt, zeige ich Ihnen in diesem Artikel.

Die Fakten

Fakt ist: Omega 3-Fettsäuren sind unersetzlich in unserem Körper. Wir müssen diese mit der Nahrung aufnehmen, da uns die Stoffwechselwege fehlen, Omega 3-Fettsäuren aus gesättigten Fettsäuren selbst herzustellen. Fakt ist auch, dass große Dosen an Omega 3-Fettsäuren – wie alle Substanzen – auch Nebenwirkungen z.B. Verdauungsbeschwerden oder erhöhtes Blutungsrisiko haben können. Dies gilt insbesondere dann, wenn man diese isoliert aufnimmt. Dafür müssten Sie allerdings schon große Mengen zu sich nehmen. So hat selbst die recht konservativ agierende Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit festgestellt, dass 5 g langkettige Omega 3-Fettsäuren täglich unbedenklich sind. Das entspricht ca. 250 g Hering, die Sie jeden Tag essen müssten und ist damit eine Menge, die Sie mit natürlichen Lebensmitteln realistisch nicht dauerhaft überschreiten können. Um täglich mehrere Gramm an langkettigen Omega 3-Fettsäuren zu sich zu nehmen, müssten Sie schon zu Nahrungs­ergänzungs­mitteln greifen. Es gibt Stimmen, die genau das befürworten.

Der Irrtum

Doch an diesem Punkt liegt ein grundlegender, weitverbreiteter Irrtum in unserem Denken. Wir sehnen uns in unserer Gesellschaft nach einzelnen Substanzen, die uns ein langes, gesundes Leben ermöglichen und uns von modernen Zivili­sations­krankheiten befreien. Auch die Wissenschaft befasst sich regelmäßig nur mit der Wirkung von einzelnen, isolierten Substanzen. Die komplexe Interaktion von Substanzen wie dies in unserer Nahrung der Fall ist, wird jedoch kaum beachtet. Einzelne Substanzen werden als „gesund“ identifiziert und die Aufnahme großer Mengen empfohlen – viel hilft ja bekanntlich viel. Doch so funktioniert unsere Biochemie nicht.

Unsere Biochemie ist ein komplexes Geflecht aus ineinandergreifenden Stoffwechselwegen, die es zu verstehen gilt. Omega 3-Fettsäuren agieren nicht unabhängig, sondern stehen beispielsweise in einem Gleichgewicht mit Omega 6-Fettsäuren. Über das optimale Omega 6- zu Omega 3-Verhältnis habe ich bereits einen ausführlichen Artikel geschrieben. Um Omega 3-Fettsäuren optimal verarbeiten zu können, brauchen Sie noch zahlreiche weitere Mineralien und Vitamine.

Omega 3-Interaktionen
  • Vitamin E ist ein wichtiges Antioxidans, welches in die Zellmembran eingebaut wird und die instabilen Omega 3-Fettsäuren vor Oxidation schützt.
  • Selen ist ein Bestandteil der Glutathionperoxidase, einem Enzym welches ebenfalls Omega 3-Fettsäuren vor Oxidation schützt. Dabei ist Selen ganz entscheidend mit dafür verantwortlich, wie viel Glutathionperoxidase gebildet wird und damit indirekt auch dafür, wie gut Ihre Omega 3-Fettsäuren vor Oxidation geschützt werden.
  • Es konnte gezeigt werden, dass bereits ein geringfügiger Vitamin B6-Mangel zu deutlich reduzierten Spiegeln an langkettigen Omega 3-Fettsäuren im Plasma (10-15 %) führt. Das liegt daran, dass die mRNA-Bildung für Enzyme im Omega 3-Stoffwechselweg (FADS1 und FADS2) deutlich reduziert wird. Der genaue Mechanismus hierfür liegt allerdings immer noch im Dunkeln. Das zeigt uns auch, dass wir die Funktionsweise unseres Körpers immer noch nicht voll verstehen.

Nicht zuletzt spielt natürlich auch die persönliche Genetik eine wichtige Rolle, wie gut Sie Omega 3-Fettsäuren im Körper umsetzen und entscheidet damit auch, wie hoch Ihr Bedarf an unterschiedlichen Omega 3-Fettsäuren ist. Dies sind nur einige Interaktionsbeispiele. Ich könnte noch zahlreiche weitere Beispiele aufzählen, aber das Prinzip wird denke ich klar.

Die Quintessenz

Die Quintessenz ist also: Es hilft nichts große Mengen einer einzelnen Substanz wie z.B. Omega 3-Fettsäuren isoliert aufzunehmen in der Hoffnung nun ein gesundes Leben zu führen. Ein Leben mit viel Fleisch und Wurst, Alkohol und Süßigkeiten bleibt jedoch auch bei zusätzlicher Einnahme mehrerer Gramm langkettiger Omega 3-Fettsäuren täglich ein ungesundes Leben. Daran können auch Omega 3-Fettsäuren nichts ändern. Einen wirklich positiven Effekt auf Ihr Leben werden Sie also nur durch das Umstellen von Gewohnheiten hin zu natürlichen Omega 3-haltigen Lebensmitteln erreichen. Wenn Sie beispielsweise Leinöl in Ihre tägliche Ernährung einbauen, werden Sie ganz automatisch anders essen müssen. Denn industriell verarbeitete, nährstoffarme Lebensmittel und Leinöl werden zusammen nicht besonders gut schmecken.

Referenzen

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