Nutrigenetik erklärt

Seit Jahrzehnten gibt es allgemeine Empfehlungen und Ratschläge für einen gesunden Lebensstil. Regelmäßige Bewegung an der frischen Luft ist sicher eine Empfehlung, die jedem guttut. Doch in den letzten Jahren zeigte sich mehr und mehr, dass der Grundsatz allgemeingültiger Ernähr­ungs­empfehlungen neu geschrieben werden muss. Die Nutrigenetik war geboren. Auf Okinawa, der japanischen Insel der Langlebigen ist bereits lange bekannt, dass die Ernährung mit dem Körper interagiert. Dieses alte Wissen wird nun auch immer mehr zum Gegenstand unserer Forschung.

Was ist Nutrigenetik?

Bei einer Vielzahl von Lebensmitteln entscheidet unser Genotyp zumindest mit, ob wir diese gut vertragen oder nicht. Das Feld der Nutrigenetik beschäftigt sich genau mit solchen Fragestellungen: Wie interagieren die Inhaltsstoffe unserer Ernährung mit unserer Genetik? Das Ziel dabei ist, personalisierte und auf die eigene Genetik abgestimmte Ernährungsempfehlungen auszusprechen und so das Wohlbefinden jedes Einzelnen zu verbessern. Denn wir sind nicht alle gleich in unserer genetischen Ausstattung. Etwa 99,7 % unseres Genoms sind bei allen Menschen gleich. Anders ausgedrückt unterscheiden wir uns in ca. 0,3 % unseres Erbguts. Das führt dazu, dass wir alle unterschiedlich aussehen – uns in Haar- oder Augenfarbe unterscheiden. Es gibt aber auch nicht sichtbare Änderungen. Wir unterscheiden uns auch in der Verarbeitung von Nährstoffen, Mineralien oder Vitaminen. Je nach genetischer Variante können Stoffwechselwege schneller oder langsamer ablaufen. Da erscheint es nur logisch, unsere Ernährung, den Treibstoff, der unseren Körper am Laufen hält, an unsere Bedürfnisse anzupassen.

Nutrigenetik – ein altbekanntes Konzept neu entdeckt

Das Prinzip, die Ernährung auf die persönliche Genetik anzupassen, ist nicht neu und wird von vielen Menschen bereits seit langem praktiziert, ohne sich Gedanken darüber zu machen. Die Unver­träglichkeit (Intoleranz) von Laktose (Milchzucker) und Fruchtzucker sind beispielsweise genetisch bedingt. Vertragen Sie keinen Milch- oder Fruchtzucker, werden Sie ganz automatisch Lebensmittel meiden, die diesen Zucker enthalten – jedenfalls dann, wenn Ihr Gefühl für den eigenen Körper nicht verloren gegangen ist. Auch wie gut wir Genussmittel, wie Kaffee oder Alkohol vertragen, hängt von unserer individuellen Genetik ab. Bei vielen Nahrungsmitteln weiß also unser Körper bereits selbst sehr gut, ob sie uns guttun oder nicht.

Doch Nutrigenetik geht noch weiter. Wie gut wir kurzkettige Omega 3-Fettsäuren zu langkettigen Omega 3-Fettsäuren umsetzen oder wie gut die Umwandlung von Provitamin A zu Vitamin A funktioniert – auch das hängt von unserer persönlichen Genetik ab. Nutrigenetik setzt genau hier an. Unser Wohlbefinden können wir steigern, indem wir genau dieses genetische Wissen nutzen und damit unsere Ernährung anpassen. Ist beispielsweise Ihre körpereigene Verarbeitung von Omega 3-Fettsäuren verlangsamt, sollten Sie darauf achten, genügend langkettige Omega 3-Fettsäuren, z.B. über fettreichen Seefisch, aufzunehmen.

Die persönliche Motivation erhöhen – mit Nutrigenetik

Zahlreiche Studien belegen darüber hinaus einen weiteren positiven Effekt personalisierter Ernährung:  Personalisierte Empfehlungen führen zu einer höheren Akzeptanz der Ratschläge sowie steigender Motivation, Empfehlungen auch (längerfristig) umzusetzen. Erhielten Studienteilnehmer basierend auf ihrer Genetik persönliche Verzehr-Empfehlungen, so stuften die Probanden die Empfehlungen als nützlicher ein und waren eher gewillt diese umzusetzen.

Personalisierte Ernährungsinformationen bieten einen zusätzlichen Nutzen für die persönliche Ernährung – schon allein deshalb werden diese in den nächsten Jahren eine immer größere Akzeptanz finden.

Referenzen

Celis-Morales C. et al. (2015), Design and baseline characteristics of the Food4Me study: a web-based randomised controlled trial of personalised nutrition in seven European countries, Genes Nutr., 10, 450.

Fenech M. et al. (2011), Nutrigenetics and Nutrigenomics: Viewpoints on the Current Status and Applications in Nutrition Research and Practice, J. Nutrigenet. Nutrigenomics, 4, 69–89.

Ordovas JM. et al. (2018), Personalised nutrition and health, BMJ, 361:bmj.k2173.