Die Omega 3-Genetik

Ein Blick in die Geschichte der Omega 3-Fettsäuren

In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts galten Fettsäuren noch als verzichtbare Bestandteile unserer Nahrung. Damals machte das Ehepaar Burr einen Versuch, der diese Wahrnehmung änderte. Sie fanden heraus, dass Ratten, deren Futter keine Omega 6- und Omega 3-Fettsäuren enthielt schon bald an schweren Haut- und Nierenerkrankungen litten. Wurden die beiden Omega 6- und Omega 3-Fettsäuren Linolsäure und Linolensäure dem Futter zugefügt, waren die Krankheitssymptome reversibel und die kranken Ratten wurden wieder gesund.

Der Omega 3-Stoffwechsel

Nun ist die Biochemie der Ratte nicht identisch mit unserer Biochemie. Aber auch für uns sind die Omega 6-Fettsäure Linolsäure und die Omega 3-Fettsäure Linolensäure essentiell, das heißt wir müssen diese mit der Nahrung aufnehmen. Linolsäure und Linolensäure werden dann durch eine Reihe enzymatischer Reaktionen in längerkettige Omega 6- und Omega 3-Fettsäuren umgewandelt. Die Omega 6-Fettsäure Linolsäure wird dabei in mehreren Reaktionsschritten zu Arachidonsäure umgewandelt. Wie gut das funktioniert, hängt unter anderem von unserer persönlichen Genetik ab. Wir haben bereits in einem anderen Artikel im Detail beschrieben, welche entzündungsfördernde Wirkung Arachidonsäure im Körper entfaltet. Die kurzkettige Omega 3-Fettsäure Linolensäure wird zu der langkettigen Omega 3-Fettsäure Eicosapentaensäure (EPA) und in weiteren Reaktionen zur Docosahexaensäure (DHA) umgesetzt. Sowohl EPA als auch DHA sind Vorläufer stark entzündungshemmender Signalstoffe. Da die gleichen Enzyme, die Omega 6-Fettsäuren umsetzen, auch Omega 3-Fettsäuren umsetzen, kann eine hohe Aufnahme von Omega 6-Fettsäuren die Umsetzung von Omega 3-Fettsäuren blockieren. Vereinfacht gesagt ist der Körper also damit beschäftigt die in großer Menge vorliegenden Omega 6-Fettsäuren umzusetzen. Die Omega 3-Fettsäuren bleiben dabei auf der Strecke. Das ist dann – wie Sie sich sicherlich vorstellen können – natürlich nicht optimal.

Die Genetik der Omega 3-Fettsäuren

Wie gut diese Umsetzung von kurzkettigen Omega 3- und Omega 6-Fettsäuren zu den jeweiligen langkettigen Fettsäuren funktioniert, hängt von mehreren Faktoren ab. Dazu zählt, wie gut wir mit Mineralien und Vitaminen, insbesondere Zink und Vitamin B6 versorgt sind. Omega 3-Fettsäuren sollten wir deshalb nie isoliert betrachten. Eine nicht unwesentliche wenn auch oft komplett vergessene Rolle spielt aber auch unsere Genetik. Eine Studie aus dem Jahr 2008 kommt zu dem Ergebnis, dass ca. 40-70 % des Fettsäurestatus erblich bedingt ist. Eine zentrale Rolle im Omega 3- und Omega 6-Stoffwechsel kommt dabei zwei Enzymen zu, die wissenschaftlich als FADS1 und FADS2 abgekürzt werden. Diese beiden Enzyme sind bei der Bildung von langkettigen Omega 6- und Omega 3-Fettsäuren geschwindigkeitsbestimmend, das heißt sie limitieren wie viele der langkettigen Fettsäuren gebildet werden können.

Im Zentrum der Omega 3-Genetik

Die Effizienz der Umwandlung von kurzkettigen Omega 3- und Omega 6-Fettsäuren in die langkettigen Formen ist recht gering (im Bereich von ca. 5 %), wodurch kleine Änderungen in der Umwandlungseffizienz potentiell einen großen Effekt auf den Versorgungsstatus mit langkettigen Fettsäuren haben. Denn wie gut diese beiden Enzyme ihren Dienst tun, hängt von kleinsten Veränderungen in der Genetik ab. Insbesondere für FADS1 wurden zahlreiche Varianten beschrieben, die beeinflussen, wie gut wir kurzkettige Omega 6- und Omega 3-Fettsäuren in die langkettigen Formen umwandeln. FADS1 können Sie sich vorstellen wie ein Steuerelement und FADS1 ist ein wirklich zentrales Steuerelement. Eine neue Studie aus dem Jahr 2020 zeigte, dass die genetische Varianz im FADS-Gen entscheidend ist für die Bildung von zahlreichen weiteren Fetten und Signalmolekülen.

Evolution der Omega 3-Genetik

In der Evolutionsgeschichte gesehen war die Umwandlung von kurzkettigen Omega 3-Fettsäuren zu den langkettigen Formen sehr gering. Varianten führten dazu, dass sich diese Umwandlung deutlich verbesserte. Historisch gesehen könnte dies einen deutlichen Vorteil gebracht haben in einer Umwelt, in der wenig langkettige Omega 3-Fettsäuren z.B. durch Fisch zur Verfügung standen. Insbesondere für unser Gehirn und unsere Augen sind langkettige Omega 3-Fettsäuren unverzichtbar. Durch diese Varianten konnte also eine gute Versorgung sichergestellt werden. In Gegenden, in denen immer reichlich langkettige Omega 3-Fettsäuren aus der Nahrung zur Verfügung standen, wie z.B. bei den Grönland-Inuit, finden sich die Varianten nicht. Das zeigt sehr schön, wie sich unsere Genetik langfristig auf unser Nahrungsangebot anpasst.

Omega 3-Genetik heute

Heute gibt es im Wesentlichen zwei verschiedene genetische Ausprägungen (wissenschaftlich auch Haplotypen genannt). Sie unterscheiden sich deutlich darin, wie gut kurzkettige in langkettige Omega 3-Fettsäuren umgesetzt werden. Eine gute Umsetzung, die historisch gesehen Vorteile mit sich brachte, kann jedoch mit unserer heutigen Ernährung auch zum Problem werden. Denn auch kurzkettige Omega 6-Fettsäuren werden dann gut in langkettige Omega 6-Fettsäuren umgesetzt. Omega 6-Fettsäuren sind jedoch entzündungsfördernd – sie sind sozusagen der „Gegenspieler“ von Omega 3-Fettsäuren. Basierend auf der eigenen Genetik bietet es sich daher an, die Ernährung entsprechend und gezielt anzupassen, um so die optimale Lebensqualität zu erreichen. Wie genau das funktioniert, zeige ich im Artikel „Das leistet unser Omega 3-Gentest“.

Referenzen

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